Sind Aktien gerade günstig oder teuer? Um diese Frage beantworten zu können, achten viele Anleger auf Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Je niedriger es ausfällt, desto günstiger ist eine Aktie bewertet und desto höher stehen die Chancen, dass sie in Zukunft steigt. Dass es bei der Betrachtung eines Index-KGVs einige Fallstricke zu beachten gilt, erklärt Sebastian Dörr.

In seiner Analyse stellt der Kapitalmarktanalyst von HQ Trust der gängigen Index-Berechnung über die Einzeltitel-KGVs eine Berechnung über deren Gewinnrendite gegenüber. Große Unterschiede entstehen dabei durch Unternehmen mit einem hohen oder einem negativen KGV. Wie häufig so etwas vorkommt, zeigt ein Blick auf den MSCI ACWI: Von den rund 3000 im Index enthaltenen Aktien haben aktuell 125 ein negatives KGV. Genauso hoch – und damit immerhin rund 5 % – ist die Anzahl der Aktien mit einem KGV von mehr als 10.000.

Gibt es in einem Index viele Aktien mit einem sehr hohen oder negativen KGV, kann das bei der Berechnung des Index-KGVs zu größeren Ungenauigkeiten führen.

  • „KGV ist nicht gleich KGV. Die Berechnung eines Index-KGVs kann sich von Datenanbieter zu Datenanbieter unterscheiden. Oftmals ist nicht direkt klar, welches Vorgehen der Berechnung zugrunde liegt.“
  • „Bei der Berechnung über die Einzeltitel-KGVs können bereits einzelne Unternehmen mit einem hohen KGV zu deutlichen Verzerrungen beim Index-KGV führen.“
  • „Angenommen, ein Index besteht aus 40 Aktien, von denen 39 ein KGV von 10 und eine ein KGV von 100 aufweisen, ergibt sich das Index-KGV zu 12,3. Hat das Unternehmen ein KGV von 500, steigt das Index-KGV bereits auf 22,3.“
  • „Ein KGV von 10.000 führt bei der Berechnung über das Einzeltitel-KGV zu einem Index-KGV von rund 260 – und das obwohl 97,5 % Aktien ein KGV von 10 haben.“
  • „Unternehmen mit Verlusten haben bei vielen Datenanbietern einen zu niedrigen Einfluss auf das Index-KGV, da sie bei der Ermittlung des Index-KGVs nicht berücksichtigt werden.“

Zum Hintergrund: Beim KGV wird der Kurs der Aktie durch den Gewinn des Unternehmens je Aktie dividiert. Notiert eine Aktie bei 50 Euro und die Gewinne des vergangenen Geschäftsjahrs betragen 5 Euro je Aktie, berechnet sich das KGV der Aktie zu 10. Gewichtet mit dem Börsenwert der Einzeltitel ergibt sich in der Folge das KGV auf Indexebene.

Bei der Gewinnrendite steht der Gewinn je Aktie im Verhältnis zu ihrem Unternehmenskurs. Die Gewinnrendite ist somit der Kehrwert des KGV. Was im Prinzip nach dem Gleichen klingt, liefert dennoch große Unterschiede: Die KGV-Berechnung über die Gewinnrendite ermöglicht die Berücksichtigung von Unternehmen mit Verlusten. Zudem haben einzelne Ausreißer einen deutlich geringeren Einfluss auf das Index-KGV.

Die Übersicht unserer Chart of the Week-Veröffentlichungen finden Sie hier.

Bitte beachten Sie:
Die Vermögensanlage an den Kapitalmärkten ist mit Risiken verbunden und kann im Extremfall zum Verlust des gesamten eingesetzten Kapitals führen. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die Wertentwicklung in der Zukunft. Auch Prognosen haben keine verlässliche Aussagekraft für künftige Wertentwicklungen. Die Darstellung ist keine Anlage-, Rechts- und/oder Steuerberatung. Alle Inhalte auf unserer Webseite dienen lediglich der Information.

Quelle: Datastream, eigene Berechnungen.

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Sebastian Dörr
Kapitalmarktanalyst
HQ Trust
Sebastian Dörr ist seit 2021 bei HQ Trust im Portfoliomanagement tätig und beschäftigt sich als Kapitalmarktanalyst mit der Analyse liquider Anlageprodukte und der taktischen Portfoliosteuerung. Der Volkswirt hat in Gießen studiert und dort auch sein Masterstudium abgeschlossen. In seinen Abschlussarbeiten beschäftigte sich Sebastian Dörr mit Themen aus dem Bereich der monetären Ökonomik.